Interview mit Signum Chef Felix Hochapfel über die wirtschaftlichen Corona-Folgen
In der Coronakrise setzt Signum weiterhin auf unternehmerische Fairness, digitales Arbeiten und strategisches Handeln. Im Interview erklärt der Geschäftsführer von Signum Warenwirtschaftssysteme, Felix Hochapfel, warum der schnelle Einstieg in den Online-Handel kein Allheilmittel gegen Umsatzverluste ist und welche Angebote Signum in der Krise für Kunden hat.
Ein frühes Corona-Hilfsangebot von Signum waren kostenlose Homeoffice-Lizenzen, damit die Anwender von Orgasoft.NET auch daheim mit dem Warenwirtschaftssystem arbeiten können. Wie wurde es angenommen?
Felix Hochapfel: Das Angebot wurde von einigen Kunden angenommen, die bereits die notwendige Infrastruktur hatten und Leute ins Homeoffice schicken konnten. Aber viele wurden von der Situation überrascht und ist es natürlich schwierig, mitten in der Coronakrise die Organisation und Struktur so aufzubauen, dass sich Orgasoft.NET nach außen öffnen lässt.
Welche Ausstattung gehört für eine gute Arbeit im Homeoffice dazu?
Felix Hochapfel: Zunächst mal braucht man die Technik. Zum Telefonieren Voice-over-IP, hier am besten eine Cloud-Lösung, sodass gar keine Hardware in der Zentrale steht. VoIP hat den großen Vorteil, dass man auch im Homeoffice über die gleiche Telefonnummer erreichbar ist. Um möglichst alle ins Homeoffice schicken zu können, gehört außerdem ein digitalisiertes Büro dazu. Das heißt, dass alle Dokumente, Korrespondenz, Angebote, Eingangsrechnungen usw. digital vorliegen und dass alle von extern darauf zugreifen können. Dasselbe gilt für Dateien wie Protokolle oder Dokumentationen.
Hilfreich für Absprachen sind außerdem Videokonferenz-Tools. Dafür braucht man natürlich die entsprechende Internet-Bandbreite.
Das andere, neben der Technik, ist der Knigge: dass man nicht am Küchentisch mit dem Notebook sitzt, sondern möglichst einen richtigen Arbeitsplatz hat.
Ich selbst setze mich im Homeoffice nicht im Jogginganzug an den Schreibtisch. Ich arbeite hier so, wie ich’s auch im Büro in Darmstadt tun würde. Und gerade zurzeit ereilen uns auch hin und wieder Ad-hoc-Videokonferenzen, vor denen man nicht mehr die Zeit hätte, sich schnell umzuziehen. (lacht)
Was hat sich im Tagesgeschäft geändert für Signum durch die Coronakrise?
Felix Hochapfel: Das Positive: von der Arbeitsweise her gar nichts. Wir haben seit über 20 Jahren Mitarbeiter im Homeoffice und haben schon seit über 10 Jahren ein papierloses Büro. Von daher hat sich mit Corona nichts geändert. Unser Fokus liegt momentan auf den Projekten, die wir vor der Krise angefangen haben und die wir jetzt zu Ende bringen möchten. Diese Kunden haben insofern Glück, weil sie mehr Ruhe und Zeit haben als normalerweise.
Im Support merken wir einen Rückgang. Wir hatten damit gerechnet, dass sich die Support-Tätigkeit von der Art her verlagert, dass mehr Unterstützung bei organisatorischen Änderungen oder Erweiterung von Prozessen angefragt wird. Das können wir aber nicht bestätigen.
Im Vertrieb führen wir viele Gespräche mit Interessenten, die gerade leider geschlossen haben, sich aber Zeit für Themen wie innerbetriebliche Organisation nehmen. Natürlich haben die einiges zu tun: Sie reden mit ihren Vermietern, beantragen Soforthilfen oder KfW-Kredite.
Aber die Unternehmen kümmern sich jetzt auch um die zukünftige Ausrüstung ihres Geschäfts. Da gehört das neue Warenwirtschaftssystem oder ein neues Kassensystem genauso dazu.
Unternehmen denken über eine neue Warenwirtschafts-Software nach, obwohl die Schließungen in Einzelhandel und Gastronomie bei vielen zu Liquiditätsengpässen geführt haben?
Felix Hochapfel: Wir bieten unseren Kunden an, dass wir heute nicht über das Zahlen reden. Es geht jetzt um die Schritte davor.
Wir reden über die Einführung und darüber, wie man einen Zahlungsplan macht, sodass wir es dann fakturieren, wenn das normale Geschäft wieder losgeht.
Trotz der Lockerungen werden die Umsätze außerhalb des Lebensmittelhandels nicht annähernd die gleichen sein wie vor der Krise. Es wird eine Beschaffungsmentalität geben, keine Shopping-Mentalität. Das trifft besonders Geschäfte, wo die Haptik eine große Rolle spielt wie etwa im Fachhandel oder der Modebranche.
Einzelhandelsgeschäften wird jetzt oft die rasche Ausweitung auf den Online-Handel empfohlen. Wie realistisch und lohnend ist das wirklich?
Felix Hochapfel: Wir müssen unterscheiden zwischen Aktionismus und Strategiedenken. Wer in der Krise auf die Idee kommt, schnell einen Online-Shop aufzusetzen, wird feststellen, dass das Ganze nicht von heute auf morgen machbar ist und vor allen Dingen, dass sich Umsatzrückgänge damit nicht kompensieren lassen.
Wenn jetzt nur wegen der Krise in ein Shopsystem investiert wird, werden die Kosten für den Online-Shop nicht viel kleiner sein, als der zu erwartende Ertrag in der Krise. Wenn überhaupt.
Da ist es besser, die Ware zu fotografieren und auf die Website oder Social Media zu stellen und zum Verkauf mit den Kunden zu telefonieren oder per E-Mail zu kommunizieren.
Ist es denn auf längere Sicht eine Erkenntnis aus der Coronakrise, dass der stationäre Handel zusätzlich in den Online-Handel einsteigen muss?
Felix Hochapfel: Das ist immer ein Thema beim Einzelhändler. Im Vertrieb geht es bei über 60 % der Anfragen von stationären Einzelhändlern auch um einen Online-Shop. Aber es gehört eben eine Infrastruktur dazu, und die Nachfrage. Ich denke nicht, dass nach der Krise mehr Kunden online kaufen.
Natürlich ist Multichannel auch für uns absolut wichtig. Wir sind gerade dabei, nach Magento und plentymarkets noch Shopware 6 an unser Warenwirtschaftssystem anzubinden.
Das hat aber nichts mit der Krise zu tun, sondern fällt durch Zufall mit ihr zusammen.
Zu Beginn der Anti-Corona-Maßnahmen gab es einige Berichte über mangelnde Zahlungsmoral und Solidarität unter den Unternehmen. Gibt das schlechte Bild die Realität wieder?
Felix Hochapfel: Die Ellenbogenmentalität, die man manchen großen Unternehmen vorgeworfen hat, kann ich nicht beobachten. Während des Arbeitstages hat man eigentlich das Gefühl, dass sich nicht großartig etwas geändert hat. Dies gilt auch für die Zahlungsmoral. Wenn einer unserer Kunden nicht zahlen kann, meldet er sich bei uns und wir finden eine Lösung. Aber es ist nicht so, dass jeder sagt, wir zahlen nicht mehr. Und genauso bezahlen auch wir selbstverständlich unsere Vermieter und Lieferanten.
Das zeigt, dass die Krise von den Unternehmern als eine temporäre Geschichte angesehen wird. Jeder weiß, danach geht’s weiter und versucht, das Beste daraus zu machen. Auch in dem Bewusstsein, dass man nach der Krise weiterhin partnerschaftlich zusammenarbeiten will.
Signum selbst hat sich durch die Coronakrise auch von einem großen Schritt nicht abhalten lassen, nämlich von der Umwandlung in eine AG. Warum wird momentan der Rechtsformwechsel mit Kapitalerhöhung wie geplant durchgezogen?
Felix Hochapfel: Bei der Umwandlung zur AG geht es uns um Dinge wie Nachfolgeregelung und langfristige Unternehmensentwicklung. Unter anderem möchten wir zukünftig in der Lage sein, Unternehmensanteile zum Beispiel auch an Mitarbeiter leichter übertragen zu können.
Vielleicht wird der Zeitpunkt der Umwandlung bei dem einen oder anderen auf Unverständnis stoßen. Aber so eine AG-Umwandlung hat eine mindestens halbjährige Vorlaufzeit. Als wir die Umwandlung in Angriff genommen haben, gab es noch keinen einzigen Corona-Kranken. Wir haben die finalen Verträge genau zu Beginn der Krise unterzeichnet und warten jetzt auf den Eintrag in das Handelsregister.
Natürlich hätten wir uns dafür einen besseren Zeitpunkt gewünscht. Aber wegen der Coronakrise jetzt lange geplante strategische Entscheidungen über den Haufen zu werfen, wäre für mich absurd.
Das Runterfahren der Wirtschaft hat ja zumindest den Vorteil, dass die Unternehmen aktuell mehr Zeit haben, um Ordnung ins digitale Geschäftsleben zu bringen.
Felix Hochapfel: Das wäre vernünftig. Bei unseren GoBD-Beratungen stellen wir zum Beispiel häufig fest, dass es an der Verfahrensdokumentation mangelt, die jedes Unternehmen haben sollte. Aber da haben die Leute auch jetzt keine Lust drauf. Die wird dann gemacht, wenn sich die Steuerprüfung anmeldet. (lacht)
Vielen Dank für das Gespräch.
Lesetipp für Anwender aus Gastronomie und Einzelhandel, die mit dem Warenwirtschaftssystem Orgasoft.NET arbeiten:
Informationen über die kostenlosen Homeoffice-Mietlizenzen während der Coronakrise